Militärgeschichte: Das Kriegsgefangenenlager auf der Güstrower Bockhorst 1914-1919







Das Kriegsgefangenenlager auf der Güstrower Bockhorst 1914-1919

 


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Am 28. Juni 1914 tötet Gavrilo Princip bei einem Attentat das Thronfolgerpaar Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie. Dies war der Auslöser des Ersten Weltkrieges.
Die Kriegslager teilten sich dabei in zwei Militärbündnissen auf, den sogenannten Mittelmächten (Deutschland und Österreich-Ungarn, später schlossen sich noch das Osmanische Reich und Bulgarien an) und der Entente cordiale (Herzliches Einverständnis), einem 1904 geschlossenen Bündnis zwischen Großbritannien und Frankreich (1907 um Russland erweitert = Triple entente).
Zu Beginn des Krieges standen sich so 118 Millionen Menschen der Mittelmächte und 278 Millionen Menschen der Entente Cordiale gegenüber.


Zum 1. August 1914 wurde die Armee des deutschen Kaiserreichs in acht unabhängige Armeen aufgeteilt. Das IX. Armeekorps mit Sitz in Hamburg-Altona gehörte bis dahin zur Armee-Inspektion in Hannover, einem Kontingentverband des Königreiches Preußen. Nach dem 2. August 1914 wurde es Bestandteil der 1. Armee im Armee-Oberkommando 1 (AOK 1) unter dem Kommando von General Alexander von Kluck (Stettin in Pommern).

 

Abb. 1. Detail der Karte von dem Stadt- und Cämmereigebiet, 1904 (rechts mit coloriertem Gebiet des KgfL)

Schon zu Beginn des Krieges im August 1914 kam es an den Frontbereichen der Ost- und Westfront zu erbitterten Kämpfen mit vielen Toten, Verwundeten und auch Kriegsgefangenen.
Bis zum September 1914 sind allein an der Ostfront bei Tannenberg und in den masurischen Seen 150.000 Russen der Narew Armee umgekommen und über 90.000 Russen gefangen genommen worden. In Frankreich wurden bis Ende September mehr als 70.000 Gefangene, in Belgien 30.000, 15.000 Engländer und 4000 Serben gemacht. Allein diese Zahlen machen deutlich, wie nötig es war schnell Lager zu ihrer Unterbringung zu schaffen.


   

Abb. 2. Ansichten des Lagers um 1915 und Wanderkarte von Güstrow mit eingezeichnetem Friedhof

So wurde auf dem Gelände des Exerzierplatzes nördlich der Glasewitzer Chaussee (damals noch Chaussee nach Neukrug / Neukruger Chaussee) ein Kriegsgefangenenlager errichtet und auch nach Kriegsende bis 1923 noch als Heimkehrerlager genutzt.

   

Abb. 3. Ansicht des Lagers 1915, Lagerverwaltung und Hindenburgallee um 1919




Das dem IX. Armeekorps zugeordnete Kriegsgefangenenlager auf der "Großen Bockhorst" war ein reines Mannschaftslager mit der Bezeichnung IX. A.-K. (27-04/402), das unter dem Kommando des Infanterie-Generals Alexander Ferdinand Ludolf von Quast stand. Lagerkommandanten waren Generalmajor Karl von Katzler (* 1855 - † 1935) und nach diesem Oberst Julius Christian von Matheson (* 1858 - † 1922). Das diesem zugeordnete Offizierslager befand sich in Bad Stuer.
Bewacht wurde das Güstrower Lager von Landsturm-Einheiten z.B. dem 40. Landsturm-Infanterie-Ersatz-Bataillon Seligenstadt, I. und III. Kompagnie (in Hessen) des XVIII.-AK. Sie bestanden ausschließlich aus gedienten Männern, den älteren und ältesten Reservisten. Genau das richtige um ein Kriegsgefangenenlager zu bewachen.
Untergebracht waren sie von 1914-1920 im Kasernement des 24. Holsteinschen Feld-Artillerie-Regimentes entlang der Neukruger Straße.

Die Kapazität des Güstrower Lagers mit einer Größe von 300 Morgen (1) war anfangs schon mit 10.000 Plätzen bestimmt worden. Im weiteren Verlauf des Krieges war eine Belegung bis zu 25.000 Gefangenen geplant und auch möglich gewesen. Ob es aber wirklich jemals voll belegt war, ist ziemlich unwahrscheinlich, da sich durch zahlreiche "Aussenstellen" die Belegung des Lagers immer wieder änderte. Im Jahr 1915 war das Lager bereits mit ca. 12.000 internierten Soldaten und 4.000 Zivilisten angegeben (2).
Das Lager unterhielt 400 bis 500 Arbeitskommandos außerhalb des Lagers, so z.B. in Halebüll - 19 km von Flensburg entfernt (heute ein Ortsteil von Husum), Wohlde (dänisch: Volde, Ort in der moorigen Eider-Treene-Sorge-Niederung in Kreis Schleswig-Flensburg, Tingleff - wahrscheinlich ist damit das Lager Baistrup in der Nähe gemeint - (Tinglev, deutsch-dänischer Grenzort in der Region Syddanmark / Dänemark), Lentföhrden (südlich von Bad Bramstedt), Steinfeld in Schleswig (dänisch: Stenfelt), Bokelsesser Moor (Moorgebiet im Kreis Pinneberg) und Lübeck (Herrenwyk, im Ortsteil Lübeck-Kücknitz.).

Im Abschlussbericht der belgischen Generalversammlung (Oeuvre d`Assistance aux Prisonniers Belges en Allemagne) vom 10. Oktober 1918 wird die Zahl der in Güstrow und seinen "Kommandos" (Labor Detachemente) internierten Kriegsgefangenen mit 67.785 - mit mindestens 11 Nationalitäten angegeben.
Wenn man sich die damalige Bevölkerungszahl von Güstrow im Jahr 1919 mit 19.810 Einwohnern vor Augen führt, war das Lager geradezu eine "Stadt" vor der Stadt.


Um einmal die Anzahl der Lagerinsassen und der Aussenkommandos darzustellen, hier eine kurze Übersicht vom 10. Oktober 1918 (3). Davon waren:

5.503       Franzosen
38.722       Russen
1.224       Belgier
18.653       Engländer (a. Commonwealth: Australier, Canadier, Südafrikaner, Inder etc.)
7       Serben
1.250       Rumänen
1.821       Italiener
47       Portugiesen
83       Japaner
49       Amerikaner
426       Sonstige (Ungarn, Östereicher, Afrikaner etc.)

 

Um den Anteil der Kriegsgefangenen in den "Aussenkommandos" zu verdeutlichen, nur ein Beispiel. Von den 1.224 Belgier waren 1918 nur 120 im Lager Güstrow selbst verblieben. Sie arbeiteten in den verschiedenen Dienststellen: Postamt, Küche, Lebensmittel- und Bekleidungsmagazinen, Lazarett- und Krankenpflege, Schmiede, Kommandantur etc.

Die "Vermietung" der Kriegsgefangenen außerhalb des Lagers wurde vornehmlich von privaten Unternehmen in Anspruch genommen, aber auch die Kommunen beschäftigen Gefangene. Schwerpunktarbeiten waren dabei im Baugewerbe, im Kanal- und Wegebau, in der Landwirtschaftlichen Hilfe zu den Erntezeiten, in der Urbarmachung von Waldflächen aber auch Arbeiten zur Entwicklung von Heide- und Moorflächen.

Für die Versorgung und Entlohnung der Kriegsgefangenen waren die "Arbeitgeber" verpflichtet. Die ersten fünf Stunden Arbeit am Tag wurden nicht entlohnt, jede weitere aber mit 10 Pfennig bezahlt. Das Geld war an die Kommandantur des Lagers zu entrichten.
Im Jahr 1916 hatte das Kriegsministerium auch ein "Merkblatt für Ernährung der Kriegsgefangenen" herausgegeben, in dem die täglichen Nahrungsnormen festgelegt wurden (4). Der Verpflegungssatz im Lager betrug 60 Pfennig + 500g Brot am Tag.
Der Besitz von deutscher Währung hingegen war den Kriegsgefangenen verboten. Für sie gab es das sogenannte Notgeld, eine spezielle Lagerwährung bestehend aus Zinkmünzen und Papiergeld mit den Werten von 1, 5, 10, 25 und 50 Pfennig sowie 1, 2, 5, 10 und 20 Mark. Das Kriegsgefangenengeld besaß jedoch außerhalb des Lagers keinen Wert.


Die mit dem zunehmenden Strom von Kriegsgefangenen enststehenden Lager waren anfangs recht unterschiedlich in ihrer Größe. Die Zustände in der Anfangszeit des Güstrower Lagers 1914/15 müssen katastrophal gewesen sein, die Gefangenen beschrieben es als einen "schrecklichen Ort" und in russischen Quellen wird es zusammen mit Hammerstein als das grausamte Lager dieser Zeit angegeben (5).
Schließlich standartisierte das Kriegsministerium das System der Wohnungs- und Lagerorganisation durch ihre Mitarbeiter (Prisoner of War Department), unter dem Kommando von Oberst Emil Friedrich (6).




Das Lager in Güstrow wurde noch 1914 in einer ersten Phase von Güstrower Handwerksbetrieben, mit der Unterstützung schon vorhandener Kriegsgefangener errichtet. Am 7. Dezember 1914 wird das Betreten des um das Gefangenenlagers liegenden Gebietes in einem Umkreis von 100 Metern mit Ausnahme der Chaussee nach Neukrug verboten.
Das Lager war mit einem doppeltem, zwei Meter hohen Zaun - der äußere mit bis zu acht Meter hohen Stacheldraht - gesichert, am Hauptverkehrsweg zusätzlich mit einer Holzpalisade als Sichtschutz. Manchmal waren diese Zäune auch elektrifiziert, um so den Gefangenen zusätzlich die Flucht zu erschweren. Ob dies auch im Güstrower Lager so war, ist nicht näher bekannt. Die Zäune standen etwa fünf Meter voneinander entfernt und die Wachen - oft von Hunden begleitet - patrollierten dazwischen. Darüber hinaus gab es zahlreiche Wachtürmen mit Suchscheinwerfern ausgestattet. An den beiden Lagereingängen und mehreren anderen Schwerpunkten waren zusätzlich noch Geschütze und Maschinengewehre in kleinen Bunkerähnlichen Unterständen eingerichtet, um mögliche Unruhen oder Aufstände im Inneren der Anlage niederschlagen zu können.
Von den Wachtürmen wurde mit Einbruch der Dunkelheit auch das Lager und vor allem der Zaun mittels Scheinwerfer - versorgt vom Lagereigenen Stromwerk - beleuchtet.

Auf der westlichen Seite des Lagers befanden sich die Gefangenenbaracken, auf der östlichen und am Zugang der Neukruger Chaussee - getrennt durch den doppelten inneren Zaun - befanden sich die Verwaltungsgebäude, die Wohnungen der Wachmannschaften aber auch die Küchen- und Lagergebäude, Bäckerei, medizinische und hygienische Einrichtungen sowie die Werkstätten.
Hinzu kamen noch diverse andere Gebäude und Einrichtungen: Baracken zur Unterbringung der Wachmannschaften, eine 10 x 20 m große Wachbaracke, eine Arrestbaracke, mehrere Lazarettgebäde, Desinfektionsbaracke, Wasserturm, Badeanstalt, Toilettengebäude, Wäscherei, Bäckerei, Küchegebäude, Magazine, Kleiderkammer, Werkstätten (Schusterei, Schneiderei, Tischlerei), Verkaufsladen, Frisör, Fotobaracke, Poststelle, eine Kulturbaracke mit Theaterbühne, je eine katholische und orthodoxe Kirchenbaracke, ein Zelt für die jüdischen Zeremonien, Plätze für Apelle und Freizeit und ein offizieller Sportplatz.
Außerdem mussten diverse Zufahrts- und Lagerwege geschaffen werden, Brunnen gebohrt und Zäune angelegt. Sogar ein eigener Gleisanschluss für eine Schmalspurbahn wurde von Primerburg bis zum Lager verlegt (ausgeführt durch Kriegsgefangene).


   

Abb. 4. Ansicht vom Bahnhof Primerburg und Gefangene beim Gleisbau

Die Gefangenen kamen mit der Eisenbahn am Bahnhof in Primerburg an. Von dort mussten sie ins Lager marschieren wo sie erfasst und auf die Baracken verteilt wurden.
Nach dem Durchlaufen der ersten ärztlichen Untersuchung erhielt jeder Gefangene eine Identifikationsnummer, die er - gemalt oder genäht - auf der Uniform trug. Besonders beim Einsatz ausserhalb des Lagers trugen die Gefangenen diese z.B. an ihrer Mütze in Form einer Aluminiumplakette mit der Bezeichnung des Heimatlagers und tlw. auch ihrer Identifikations-Nr.

Doch lassen wir einen der Gefangenen selbst berichten: "... und endlich um 19.30 Uhr kamen wir in Güstrow an [20. Juni 1915; die Fahrt ging über Uelzen, Dömitz, Ludwigslust, Grabow und Parchim nach Güstrow]. Unsere Ankunft war sicher bekannt, denn viele Zuschauer, zumeist Wanderer, erwarteten uns. Auf dieser Reise konnte ich feststellen, dass Deutschland ein schönes Land ist, mit schönen Städten und Landschaften, mit friedlichen lachenden Seen zwischen Bergen und Tälern, schön und abwechslungsreich, aber doch sehnte ich mich nach meinem Flandern, nach meinem eigenen Haus im eigenen Land!
Sofort nach dem Aussteigen wurden wir zu jeweils 5 Mann zusammengefaßt, gezählt und unter gutem Geleit ins Lager gebracht, das mit einem Bahnanschluß verbunden ist. Jede Gruppe von uns wurde in einen Block gebracht; ich bezog Baracke 75 Süd, Block V. Vorher wurde noch der Name, Dienstgrad, Alter, Geburtsort, Heimatadresse, Beruf usw. - wie bereits gewohnt aufgenommen, und es war beinahe 20.30 Uhr, als wir unser Abendessen empfingen - Pferdebohnensuppe!
Viele aßen gierig, denn wir hatten Hunger, doch ich begnügte mich mit einer Scheibe Brot und einer Dose Sardinen, und müde legte ich mich danach auf meinen Strohsack und sank in einen tiefen Schlaf. Es war 7 Uhr morgens, als ich wieder aufwachte.
Als ich über das Lager schaute, merkte ich, dass sich alle Lager in der Bauart und der Einrichtung glichen. Dieses war eines der ausgedehntesten und in drei Sektionen aufgeteilt: Nord-, Ost- und Südlager, getrennt durch breite Straßen, die es völlig zerschnitten. Die eine führte zum Eingang, die anderen zu großen Toren, welche rechtwinklig aufeinander zuliefen und gut bewacht wurden. Eine Schmalspurbahn, System Delanville (Montania), folgte dem Zug der Lagerstraßen und transportierte die Esswaren, Feuerungsmaterial, Kisten und auch die Abfälle.
Die Baracken waren nummeriert von 1 bis 250, in der Mitte unterteilt, mit je einem Eingang an der Nord- und Südseite. Jeder Teil oder Abteilung konnte 50 Mann aufnehmen, die Unteroffiziere und Bürobediente schliefen in abgeteilten Kammern für 5 oder 6 Mann. Diese Räume waren auch geschmackvoll und wohnlich eingerichtet: die Wände, mit Postkarten, Fotos und Emblemen verziert, die Fenster waren auch unterteilt und davor standen bunte Kästen, in denen Veilchen, Gänseblümchen, Reseda usw. blühten.
Wie auch in anderen Lagern waren die Baracken aufgeteilt in Gruppen oder Blöcke, doch mit dem Unterschied, dass sie hier voneinander nicht durch einen Drahtzaun getrennt waren. So war es möglich, durch das ganze Lager zu laufen und alle Freunde und Bekannte herauszufinden, die auf der anderen Seite der hölzernen Stadt wohnten. Auf diese Art hatten wir mehr Freiheit und konnten viel herumwandern. Der Untergrund war völlig trocken, wie man ihn in der Heidelandschaft antrifft. Hier und dort stand ein großer Strauch und vor jeder Baracke war eine Grasfläche mit einem kleinen Strauch angelegt.
Über das Essen muss ich nicht viel sagen, denn es war geradeso wie überall. Es gab ebenfalls in jeder Gruppe eine Kantine, in der man Wurst, Käse, Hering, Bratfisch, Margarine, Kaffee, Zucker, Milch, Kartoffeln, verschiedene Seifen, Bürsten und andere Dinge kaufen konnte, die aber sehr teuer waren. ..."
(7).

Durch die Implementierung eines Systems der Selbstverwaltung im Lager, waren die Deutschen zunehmend in der Lage, die Zahl der Wachen und Offiziere zur Sicherung der Einrichtung auf ein Minimum zu beschränken.


Lagerverwalter im Auftrag der Militärverwaltung war der Garnison`s-Verwaltungs-Inspektor Adolf Siefken, der bis zu seiner Pensionierung 1921 auch das Heimkehrerlager (ab 1919) verwaltete. Seine Frau hieß Frieda (geb. Steffens) und ihre Tochter arbeitete im Lager als Kindergärtnerin.

Gefangenentransport 1916  Ansicht des Lagers 1915  Ansicht des Lagers 1917

Abb. 5. Ankunft neuer Gefangener und Ansichten des Lagers

Zum Ende des Krieges (Jahreswechsel 1918/19) kam es in Güstrow und auch im Kriegsgefangenenlager zum Ausbruch der "spanischen Grippe". Aus Berlin schickte die "Waffenstillstandskommission" zwar Medikamente ins Güstrower Lager, aber trotzdem kam es zu einer Epidemie.
Die Spanische Grippe, der Name entstand, nachdem die ersten Nachrichten über die Seuche aus Spanien kamen; wurde vom 1933 entdeckten Virus H1N1 ausgelöst - heute besser bekannt als "Schweinegrippe-Virus" - und wurde in Deutschland gelegentlich auch als "Blitzkatarrh" oder "Flandern-Fieber" bezeichnet. Amerikanische Soldaten nannten sie "three-day fever" , "knock-me-down-fevers", "purple death" oder auch Kameradschaftsgrippe. Aus dem Mittleren Westen der USA scheint sie nach neuesten Forschungen auch gekommen zu sein. Anfang März 1918 hatten US-Militärärzte im Camp Funston in Kansas den ersten dieser schweren Krankheitsverläufe registriert. Doch es war bereits zu spät, der Virus war mit den Truppentransporten bereits nach in die Bretagne nach Frankreich gelangt und verbreitete sich dann in ganz Europa. Britische Soldaten bezeichneten sie als "flu" oder "flandrische Grippe", die Franzosen als "la grippe" oder "bronchite purulente" (eitrige Bronchitis) und die Italiener – fälschlicherweise – als "Sandfliegen-Fieber".
Sie trat in drei großen Wellen auf, im Frühjahr 1918 noch mit dem unveränderte Virus, im Herbst 1918 und in vielen Teilen der Welt noch einmal 1919 jedoch mit einem bereits veründerten Virustyp (Influenza-Subtyp A/H1N1). So war dann auch die Herbstwelle 1918 und die spätere, dritte Welle im Frühjahr 1919 mit einer außergewöhnlich hohen Letalität (Sterblichkeit, tödlich verlaufend) verbunden und einer Häufung von Opfern im Alter zwischen 15 und 40 Jahren. Heute wird von Opferzahlen von fast 50 Millionen Todesopfern zwischen 1918 und 1920 ausgegangen - mehr als im 1. Weltkrieg umkamen (8).


Zur Förderung ihrer körperlichen Fitness konnten die Gefangenen sich mit einer Vielzahl von Beschäftigungen fithalten. An sportlichen Aktivitäten gab es natürlich Fussball- und Handballmannschaften der größeren Nationen im Lager.
Aber auch Cricket, Tennis, Eislaufen, Hockey, Handball, Baseball, und zum Kriegsende von der YMCA eingeführt das Volleyballspiel waren möglich. Selbst das Tanzen wurde gefplegt.
Aber auch ihre künstlerischen Talente, darunter Malerei, Skulptur und Kunsthandwerk konnten sie ausüben. Außerdem gab es musikalische Möglichkeiten im eigenen symfonischen Lagerorchester (Belgier, Franzosen und Engländer), im belgischen Gesangsverein oder im Lagerchor.


Fussballteam der Engländer 1916  Chor  Musikkapelle

Abb. 6. Lagereigene Spielmannschaften (hier das engl. Fussballteam), Chor und Musikkapelle

Weiterhin gab es auch mehrere Theatergruppen im Lager mit einer extra für sie geschaffenen Bühne (es gab mindestens eine englische, französische und eine flämische Theatergruppe).

Mehrheitlich britische und australische Kriegsgefangene gründeten 1915 im Lager die "Güstrow Bing Boys". Ihr Vorbild war die schon in Glasgow aktive Truppe von George Robey, Alfred Lester, Violet Loraine und Jack Morrison.
Die "Bing Boys Are Here" war die erste einer Reihe von 378 Revuen, die in London im Alhambra Theatre während der letzten zwei Jahre des Ersten Weltkrieges spielten, und sie sind der Ursprung dieses Namens, den sich die Kriegsgefangenen für ihre Theatergruppe suchten. Die meisten der Darsteller trugen Pierrot Kostüme.


The Bing Boys  The Bing Boys

Abb. 7. The Bing Boys Ende 1917 / Anfang 1918

Das Theater wurde im Jahr 1917 geschlossen und nur noch als Café betrieben, da es zuwenige Gefangene im Lager gab. Doch auch so konnte es einige Unterhaltung geben. In März 1918 kam eine große Anzahl von neuen Gefangenen ins Lager (ca. 300 in einem Zug), in erster Linie aus von der "MS Wolf" aufgebrachten Schiffen und dann aus der Frühjahrsoffensive. So wurde das Theater dann 1918 wieder neu besetzt.




Die Seelsorge der hier inhaftierten Kriegsgefangenen oblag in den ersten Monaten dem im Nebenamt die Militärseelsorge ausübenden Rostocker Pastor Wilhelm Leffers. Sie war aber durch die große Entfernung sehr erschwert.
In der Folgezeit besuchte der Rostocker Vikar Heinrich Hemesaat jede Woche am Donnerstag die Lazarette des Lagers. Da die Zahl der Gefangenen immer mehr wuchs, beantragte Pastor Leffers beim damaligen Militär-Oberpfarrer Pawlicki (9) in Hannover die Anstellung eines Militärpfarrers im Lager, was auch bewilligt wurde.


im Gruppenbild  Johannes Fischer PA

Abb. 8. Militärpfarrer des Lagers waren Pfr. Beyer (daneben Adjudant des Lagerkommandanten Oblt. Lauenstein) und Pfr. Fischer SCJ

Der erste Militärpfarrer Beyer (Bayer) wurde jedoch nach einigen Monaten wieder versetzt und durch Pater Johannes Fischer SCJ, einem Herz-Jesu-Priester aus Sittard abgelöst. Er arbeitete als Missionspfarrer in Südamerika und war während seines Urlaubes in Deutschland durch den Kriegsausbruch 1914 an der Heimreise nach Brasilien gehindert worden und arbeitete dann als Militär-Pfarrer bis zum Kriegsende im Lager Bockhorst.
Nach dem Kriegsende ist er um 1920 in das Missionsgebiet seines Ordens nach Brasilien zurückgekehrt.


Im Gefangenenlager diente ihnen eine 20 x 10 m große Baracke als Kirche. Die Gefangenen bauten dann auf eigene Kosten auf der Baracke ein Türmchen, für das der Bonifatius-Verein eine Glocke leihweise zur Verfügung stellte (10).

Ansicht der Barackenkirche um 1917  Ansicht der Barackenkirche um 1917  Innenansicht mit Betendem

Abb. 9. Ansichten der katholischen Barackenkirche

Im Lager gab es mit zunehmender Zahl von russischen Kriegsgefangenen auch eine orthodoxe Kirchenbaracke. Regelmäßig kam ein Pope ins Lager und betreute seine Gläubigen vor Ort.

Ansicht der Barackenkirche  Ansicht der Barackenkirche  183

Abb. 10. Ansichten der orthodoxen Barackenkirche

Im Güstrower Lager befanden sich aber auch bereits Ende 1914 zwischen 300 und 400 russische Juden die ihre Gottesdienste in einem eigens dafür bereitgestelltem Zelt feiern konnten (11). Sie durften auch ihre Verstorbenen auf dem jüdischen Friedhof außerhalb des Lagers an der Chaussee nach Neukrug (ehemals Barbara Straße / Ecke Suckower Graben; heute: Neukruger Straße) beerdigen.




Das Denkmal "Erinnerung für die im Lager verstorbenen Kriegsgefangenen" auf dem sogenannten "Franzosenfriedhof" wurde 1917/18 von mehreren französischen und belgischen Künstlern auf eigene Kosten aus Bremer Kalkstein selbst geschaffen.

  belgische Bildhauer 

Abb. 11. französische und belgische Künstler schufen das Denkmal 1917/18

Am 20. April 1918 wurde es in Anwesenheit des damaligen Reichskanzlers Graf Georg von Hertling (1843–1919), deutscher Militärs und ausländischer Abordnungen aus den Herkunftsländern, die hier auch Kränze zum Gedenken der Verstorbenen niedergelegt hatten, eingeweiht (12).
Einer der französischen Bildhauer [Bild Mitte, vorne links] war Gérard Camerlinck vom 3´ BCP (3. Infanterie-Bataillon zu Fuß), im November 1914 in der Schlacht von Monte Kemmel gefangen genommen.

 

     

Abb. 12. Friedhofsansichten von 1960 bis 2019

Leider hat das schöne Monument - das auch an die vielen russischen Toten erinnern sollte - in den Augen ihrer nachrückenden "roten Brüder" keine Gnade gefunden und musste als Ziel ihrer Schießübungen herhalten. Wahrscheinlich geschah diese Schändung der Grabstätte vieler eigener Landsleute - die noch immer dort liegen - auch aus dem Stalinschen Bewustsein heraus, das wer sich gefangennehmen ließ, ein Verräter seines Volkes sei.

Zwischen den alliierten Mächten und dem Deutschen Reich wurde dann am 11. November 1918 der Waffenstillstandsvertrag im Wald von Compiègne von dem Franzosen Marschall Ferdinand Foch und dem Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger unterzeichnet.
Am 19. Dezember 1918 kamen zwei Kriegsgefangenen-Offiziere aus dem Offizierslager Magdeburg nach Güstrow, namentlich Leutnant Leurquin und Unterleutnant Hanus. Die belgischen Kriegsgefangenen hatten sie schon ungeduldig erwartet, denn es wurde schon länger darüber geredet.
Für Weihnachten 1918 und Neujahr 1919 organisierten diese Offiziere feierliche Gottesdienste und Festlichkeiten um dadurch die Stimmung der Kriegsgefangenen zu heben. Es wurde auch nach Möglichkeit alles unternommen, um die Männer von den fernen "Aussenstellen" wieder nach Güstrow zu holen, z.T. aus 450 km entfernt liegenden Einsatzkommandos.
Kurz danach fuhr endlich die erste Gruppe mit 500 Belgiern nach Warnemünde ab, um über See via Kopenhagen nach Brest und Cherbourg (Frankreich) und schließlich nach Belgien zu gelangen. Die zweite Gruppe mit Leurquin folgte und schliesslich auch Unterleutnant Hanus mit der letzten Gruppe von Belgiern (13).
Auf Anordnung der deutschen Reichsregierung beginnt am 31. Dezember 1918 die allgemeine Demobilmachung. Der Versailler Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Reich und den Alliierten wird erst am 28. Juni 1919 unterzeichnet.
In Folge der Revolution in Russland wurde jedoch die Rückführung der russischen Kriegsgefangenen - zugunsten der einheimmischen Wirtschaft - zum Teil bis Anfang der 1920er Jahre verzögert (14).




Ebenfalls eine Beziehung zum Bockhorster Lager hatte Ernst Barlach. Er soll sich mehrfach das Lager von außen angesehen haben. Zu Kriegsbeginn 1914 arbeitete er in einem Kinderhort für Soldatenkinder. Wie bei vielen anderen auch, war seine Kriegsbegeisterung überschwänglich. So schrieb er am 29. August 1914 an Reinhard Piper: "Das Erleben dieser Zeit seit dem 1. August kann ich nur mit einem großen Liebesabenteuer vergleichen, so erschüttert und entselbstet es mich. Es ist ein großes Glücksgefühl, außer sich zu sein, erlöst von sich. Und dies Größere ist etwas Wahres, keine bloße Idee. In den ersten Tagen konnte ich nicht schlafen in diesem Zustand von Erweiterung" (15).
Nach seiner Einberufung 1915 zum Landsturm änderte er jedoch seine Einstellung nachdem er die Grauen des Krieges an der Front selbst kennenlernte. Er beschäftigte sich mit dem Erlebnis "Krieg" und verarbeitete die Kriegserlebnisse in seinem "Güstrower Tagebuch".
Er wurde als Landsturmsoldat ausgebildet, dank einer Petition seiner Berliner Freunde 1916 aber wieder aus dem Militärdienst entlassen.
Im Jahr 1918 veröffentlichte er sozialkritische Schnitte über die Kriegsnot, das Drama "Der arme Vetter".




Im Jahr 1919 beschloss die katholische Pfarrgemeinde eine der alten Militärbaracken des aufgelösten Gefangenlagers zu kaufen um sie in der Grünen Straße aufstellen zu lassen und bis zum Bau einer eigenen Kirche zu nutzen. Es war aber nicht die ursprüngliche Kirchenbaracke - die war zu baufällig.
Diese Baracke - es war die ehemalige Wachbaracke des Lagers - wurde dann am 11. September 1919 für 2250 Mark von der Militärverwaltung gekauft, aber durch Verzögerungen beim Abbruch, einem Bauarbeiterstreik, Transport und Wiederaufbau verteuerte sich das Ganze auf 17451,83 Mark (16).
Am 22. Dezember 1919 stand sie dann in der Grünen Straße, bereit den ersten Gottesdienst in einer eigenen Kirche nach der Reformation in ihr zu feiern. Dies geschah dann am 25. Dezember 1919 - dem ersten Weihnachtsfeiertag. Angesichts der Einfachheit ihrer neuen Kirche mögen sich vielleicht einige an die Worte von Otto Rietmüller erinnert haben.


" Irdische Tempel braucht Gott nicht, Dome, die Meister erbauen.
Schatten sind sie von seinem Licht, welches kein Auge kann schauen ..."


Ansicht der Barackenkirche in der Grünen Strasse 1919   Alte und Neue Kirche 1929

Abb. 13. 22.12.1919, Barackenkirche in der Grünen Straße

Diese "Notkirche" wurde nach der Kirchweihe der Neuen Kirche am 25.8.1929 an die Firma Kasch (17) auf Abbruch verkauft mit der Auflage, aus den Brettern einen Zaun zu errichten, der die Stallgebäude des Grundstücks in der Grünen Straße von dem Kirchplatz abtrennte.




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Quellen- und Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis


 - AKKG = Archiv der Katholischen Pfarrgemeinde Güstrow; diverse Archivunterlagen der katholischen Kirchengemeinde von Güstrow (z.B. Geburts- und Sterberegister, Celebrationsbuch 1924-2003, Aufzeichnungen der Geistlichen der Pfarrgemeinde etc.)
 - AKKG, Chronik der katholischen Kirchengemeinde von Güstrow 1226-1986, im AKKG
 - AKKG, UpKKG = unveröffentlichte Unterlagen zur Geschichte der katholischen Kirchengemeinde von Güstrow aus privaten Beständen, Anfragen, Zuschriften, Aufzeichnungen etc.
 - SBB, Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz: Alter Realkatalog (ARK) 1501-1955 / Weltkrieg 1914 / WK 422 / KgFL Güstrow
 - StA = Stadtarchiv Güstrow: diverse Urkunden, Register, Gerichts-, Rats-, Protokoll-, Kämmerei-, Schoss- und Bruchbücher etc. der Stadt

 - Doegen, Wilhelm. Kriegsgefangene Völker. Bd. 1, Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin, 1921
 - Mastaler, Mathias [MM]. Chronik zur Geschichte der katholischen Kirche von Güstrow, 2004; unveröffentlicht, UpKKG
 - Mastaler, Wilhelm. Geschichte der katholischen Gemeinde von Güstrow, 2002; unveröffentlicht, UpKKG
 - Mastaler, Wilhelm. Erinnerungen, 2002; unveröffentlicht, UpKKG
 - Müller, Charlotte. Unvollendetes Tagebuch, 1996, unveröffentlicht, Quelle bekannt


 





Quellenverzeichnis

1    in Mecklenburg etwa 195 Hektar (1,95 km²); nach einer Angabe im Sammelalbum von Friedrich Wilhelm Tönse († 10.01.1948, Erbach im Odenwald), ab 1916 als Dolmetscher im KGFL Güstrow tätig

2    StA: Akten zum Kriegsgefangenenlager Bockhorst; vgl. a. Staatsbibliothek Berlin: ARK 1501-1955 / Weltkr.1914 / 422 Güstrow / Kriegsgefangenenlager / Basisklassifikation: 15.23 Erster Weltkrieg / Mikrofiche-Nr.: 5025; http://biblio-archive.unog.ch: UNOG: Artikel-Code-Nr.: R1706/42/9213/5949; Microfilm-Ref.: 2MI/NANSEN/001; Titel: Prisoners of War concentrated at Gustrow and ready to be transported to Vladivostok (Kriegsgefangene in Güstrow und ihr Transport nach Wladivostok); Nationalarchives uk, NAM 1985-04-70-51; Australian War Menorial, AWM Collection Record: P01981.038 etc.

3    StA: Abschlussbericht der belgischen Generalversammlung (Oeuvre d`Assistance aux Prisonniers Belges en Allemagne) vom 10.10.1918
  - Die Zahl der in Güstrow und seinen Aussenstellen internierten KgF war mit 67.785 und mit mindestens 11 Nationalitäten (1.224 Belgier; 5.503 Franzosen; 38.722 Russen; 18.653 Engländer; 7 Serben; 1.250 Rumänen; 1.821 Italiener; 47 Portugiesen; 83 Japaner; 49 Amerikaner; 426 Sonstige) angegeben.
  - Korrespondenten des belgischen Hilfswerkes im Güstrower Lager waren z.B.: Victor Colin, Corporal vom 11. Linie Regiment und M. De Block, Wachtmeister der Gendarmerie.

4    Merkblatt zur Ernährung von Kriegsgefangenen vom 15.01.1916 mit detaillierte Richtlinien hinsichtlich der Quantität, Qualität und Zusammensetzung der Nahrung [2.700 Kalorien, mit 85 g Eiweiß, 40 g Fett und 475 g Kohlehydrate] und der Verfügung vom 24. März 1916: in diesen wurde die Reduzierung täglichen Kalorienzahl, z.B. der Fleischration für Kriegsgefangene angeordnet; vgl. RegArch KA NRÜ 1715 und Akten im Hauptstaatsarchiv Dresden
  - Im März 1916 erfolgte außerdem eine Differenzierung für nicht arbeitende und arbeitende Kriegsgefangene. Für die nicht arbeitenden Kriegsgefangenen wurde die tägliche Menge auf 2.100 Kalorien herabgesetzt, schwer arbeitende Gefangene sollten 2.900 Kalorien erhalten (erhielten also wöchentlich 300 g Fleisch). Bis Ende 1916 verringerten sich diese empfohlenen Fleischrationen auf 100-200 g wöchentlich, je nach Schwere der Arbeit. Außerdem musste auch in den Kriegsgefangenenlagern - für die Zivilbevölkerung bestand die Regelung schon - fleischlosen Tage eingeführt werden (nur noch an drei Tagen gab es Fleisch).

5    MHZA, F.2003, op.11,d.546, Bl.95, 111 [zu den katastrophalen Anfangsbedingungen im Lager]; vgl. dazu: Strazhas, Abba. Deutsche Ostpolitik im Ersten Weltkrieg: der Fall Ober Ost [Oberbefehlshabers Ost] 1915-1917, Otto Harrassowitz Verlag, 1993, S. 25

6    Oberst Emil Friedrich (1918 Generalmajor), genannt z.B. in: BArch, PH 2, Teil 1: Kriegsgefangenenwesen oder ÖStA, KA, KM 1916 Abt. 10, Krt. 1353, Akt Abt. 10 / Kgf. Nr. 13071: "Im Mai 1916 nahmen Oberst Friedrich und Major Bauer vom preußischen Kriegsministerium an Beratungen im k.u.k. Generalinspektorat der freiwilligen Sanitätspflege in Wien teil."

7    Auszug aus dem Tagebuch des flämischen Serganten Oscar S. Depraet über seinen Aufenthalt im Güstrower Kriegsgefangenenlager auf der Bockhorst vom 20. Juni bis 26. November 1915 (übersetzt aus dem flämischen Original von Wilhelm Mastaler am 29.7.1997)

8    Spinney, Laura: 1918 - Die Welt im Fieber. Hanser-Verlag 2018; vgl. a. Witte, Wilfried. Tollkirschen und Quarantäne. Wagenbach 2008 oder Salfellner, Harald. Spanische Grippe, Vitalis 2018
  vgl. a. zum Ausbruch der Spanischen Grippe im Güstrower Lager: Stadtbibliothek Gent, Berichte von in Güstrow internierten Belgiern; Schriftverkehr zwischen Jacques De Vos aus Brugge (St.Kruis) und W. Mastaler 1997

9    Dr. theol. Bernhard Pawlicki (* 17.08.1868, Preußisch-Stargard - † 01.07.1946, Kiel); ab 1902 als Divisionspfarrer der 17.ID. des IX. Armeekorps in Altona; 1920 als Divisionspfarrer in Hannover; 1922-1940 als Wehrkreispfarrer VI in Münster; 1924 sollte er trotz untadeligen priesterlichen Lebenswandel wegen "Unfähigkeit im Umgang mit Soldaten" Münster verlassen; ab 1940 Pfr. i.R. in Kiel; aus: Biograph.-Lexikon der Kath. Militärseelsorge Deutschlands, S.598

10    Diese Glocke läutete noch bis 2014 in der katholischen Kirche in der Grünen Straße zum Gottesdienst (heute hinten rechs in der Kirche).
  - Gussstahlglocke der BVG, im Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation 1914 hergestellt; Inschrift auf der Aussenseite der Glocke: B.V.G.1914., im Inneren die Guss-Nr.: 3851; Ausführung in der sogenannten Untermollsext-Rippe (der Unterton der Glocke steht zum Schlagton im Verhältnis zu einer Moll-Sexte), der Schlagton ist wahrscheinlich ein zweifachgestrichenes g (g¨); geläutet wurde sie mittels Seilzug; Außendurchmesser = 510 mm, Innendurchmesser = 495 mm, Glockenhöhe = 430 mm (ohne Krone, 510 mm mit Krone), Gewicht ca. 75kg

11    AZL, Allgemeine Zeitung des Judentums. 79.Jahrgang Nr.1, Berlin, 01.01.1915, Beilage "Der Gemeindebote" S.3; online: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3229179

12    Georg Graf von Hertling war während des Ersten Weltkrieges vom 1. Oktober 1917 [Ernennung durch Kaiser Wilhelm II.] bis zum 30. September 1918 Reichskanzler des deutschen Kaiserreichs. Der 74jährige wurde Nachfolger von Georg Michaelis, der am 24. Oktober seinen Rücktritt eingereicht hatte.

13    zur Abfahrt der Belgier aus Güstrow nach Kriegsende. Stadtbibliothek Gent, Berichte von in Güstrow internierten Belgiern; Schriftverkehr zwischen Jacques De Vos aus Brugge (St.Kruis) und W. Mastaler 1997
&nbdp; - enthält u.a.: Oeuvre d`Assistance aux Prisonniers Belges en Allemagne! - Berichte der Belgischen Generalversammlung vom 26.2.1916, 9.12.1916, 1917 und den Schlussbericht von 1919; sowie Einzelberichte zu Ereignissen und Gegebenheiten im Güstrower Lager bis zur Abreise der Belgier
&nbdp; - z.B.: Am 10. Juni 1918 wird der gesamte Vorstand des Belgischen Lager-Hilfskommittees "Comité de Secours" im Güstrower Lager entlassen. "... Alle verlassen Güstrow und werden interniert in der Schweiz. ... Nirgendwo wird gesagt warum oder wofür ! Hatten die bloß ... für sich selbst gesorgt ... oder hatten die etwas "verbotenes" getan und war es wichtig die sofort aus Güstrow in die Schweiz abreisen zu lassen ? Komisch. Die Belgier im Lager Güstrow wählen selber ein "neues Komitee" ..."
vgl. dazu a.: Dritter Jahresbericht an die Generalversammlung von 10. Januar 1918. Belgische Zentralstelle für Kriegsgefangene, Zentralkomitee der Arbeitsassistenz belgischer Gefangener in Deutschland, Le Havre; zum Lager Güstrow s. S.127-154, Algemeen Rijksarchief, Staatsarchiv, T 528-8, 288 S.

14    Der am 3. Mätz 1918 zwischen dem Deutschen Reich und Russland geschlossene Friedensvertrag von Brest-Litowsk und der Artikel 20 der Haager Landkriegsordnung verbot eine weitere Inhaftierung russischer Kriegsgefangener und forderte eine Entlassung derselben innerhalb kürzester Frist (vgl. Haager Landkriegsordnung. S.8). Trotzdem geschah bis zum November 1918 nicht viel um dies einzuhalten. Als dann im Januar 1919 auf Druck der westlichen Alliierten (vor allem der USA) ein weiteres Verbot der bis dahin praktizierten 1:1 Rückführung nach Russland eintrat, kam diese völlig zum Erliegen.
Im Bereich des IX. Armeekorps machten die im Güstrower Lager im Oktober 1918 registrierten 38.722 Russen - das entsprach 57,5% aller Gefangenen - eine gewaltige Arbeitskraft im Land aus. vgl. d.: Strahl, Antje. Das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin im Ersten Weltkrieg: Von der Friedens- zur Kriegswirtschaft. Bd. 18, von Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns, Böhlau Verlag, Köln, Weimar, 2015, S.166.
Durch den Friedensvertrag von Brest-Litowsk änderte sich zwar nichts daran, das sie weiter hier arbeiten mussten, aber in ihrer Behandlung änderte sich einiges. Auf Anweisung vom Kriegsministerium verfügte die Güstrower Lagerleitung am 17. Juli 1918, dass die im Arbeitseinsatz befindlichen russischen Kriegsgefangenen abends nicht mehr eingeschlossen werden dürfen, das sich diese von nun an frei in den Ortschaften bewegen dürfen und das sie bei Verweigerung der Arbeit keinen körperlichen Zwang von den Wachmanschaften ausgesetzt werden dürfen. vgl. d. LHAS, 5.12-3/1, Nr.17276, Bl.656 vom 27.07.1918.

15    Ernst Barlach. Hrsg. Ernst Barlach Stiftung, Güstrow 1997, S.63

16    Eintrag in der Chronik der Katholischen Pfarrgemeinde Güstrow 1226-1986, AKKG

17    Maurer- & Baumeister Wilhelm Kasch; Baugeschäft: Maurerei - Zimmerei - Zementwarenfabrik, Otto Martens Nachfolger; Zementwarenfabrik und Kontor in der Feld-/ Tivolistraße 38-39 (B II 42A); Privatwohnung in der Trotschestraße 14, Tel. 2434 [Angaben aus dem Adressbuch der Stadt Güstrow 1935]
  - Die Firma Kasch führte die Maurerarbeiten am Kirchenbau der katholischen Kirche in der Grünen Straße 1928-29 aus. vgl. d. AKKG, Chronik der Katholischen Pfarrgemeinde Güstrow 1226-1986





Abbildungen

Abb. 1  StA, Karte von dem Stadt- und Cämmereigebiet der Vorderstadt Güstrow, gezeichnet 1904 vom Ing. Fr.Fr. Schmidt nach der Karte von Beyer 1869/70

Abb. 2  Ansichten des Lagers um 1915 und Wanderkarte von Güstrow mit eingezeichnetem Friedhof
Bild links: Zeichnung des Lagers um 1914/15, Bild aus privater Hand
Bild mitte: Foto um 1915, aus: Doegen, Wilhelm. Kriegsgefangene Völker. Bd. 1, Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin, 1921, Blatt 6, S.36
Bild rechts: Wanderkarte von Güstrow und Umgebung 1:25.000 mit eingezeichnetem Friedhof, StA

Abb. 3  Ansicht des Lagers 1915, Lagerverwaltung und Hindenburgallee um 1919
Bild links: Detailansicht des Kriegsgefangenenlager Güstrow Bockhorst 1914/15 mit den frühen Spitz- oder Zeltbaracken und russischen Kriegsgefangenen, Foto aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"
Bild mitte: Verwaltung und Wachmannschaft des Kriegsgefangenenlagers Güstrow Bockhorst 1916, Foto aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"
Bild rechts: Detailansicht des Kriegsgefangenenlager Güstrow Bockhorst um 1917 mit den langen Holzbaracken entlang der Hindenburgstraße, Foto aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"

Abb. 4  Ansicht vom Bahnhof Primerburg und Gefangene beim Gleisbau, Foto: Thomas Pilz (www.guestrow-history.de), aus dem Sammelalbum von Friedrich Wilhelm Tönse (* 5.3.1869, Bromberg - † 10.1.1948, Erbach im Odenwald), ab 1916 als Dolmetscher im KGFL Güstrow tätig

Abb. 5  Ankunft neuer Gefangener 1916 und Ansichten des Lagers 1915 (mit Zelt) und 1917, Fotos aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"

Abb. 6  Lagereigene Spielmannschaften wie hier abgebildet das engl. Fussballteam 1916, Lagerchor und Musikkapelle; Fotos aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"

Abb. 7  The Bing Boys Ende 1917 / Anfang 1918; Links: Bild mit dem Briten Frederick Joseph Butler (links, * 1889) 24536 PTE. Loyal Nord Lancashire Regiment, Fotos aus privater Hand und aus dem "Album Militärpfarrer J. Fischer"

Abb. 8  katholische Militärpfarrer des Lagers
Bild links: Der erste Militärpfarrer des Lagers, Pfr. Beyer (Bayer), rechts von ihm Adjudanten Oblt. Lauenstein, um 1915 / 1916; er war nur für wenige Monate im Lager; Foto: Thomas Pilz (www.guestrow-history.de), aus dem Sammelalbum von Friedrich Wilhelm Tönse (* 5.3.1869, Bromberg - † 10.1.1948, Erbach im Odenwald), ab 1916 als Dolmetscher im KGFL Güstrow tätig
  - BAYER lt. Eintragung in der Chronik der Katholischen Pfarrgemeinde Güstrow 1226-1986, AKKG
  - BEYER nach einer Bildbeschriftung im o.g. Sammelalbum von Friedrich Wilhelm Tönse
  - möglicherweise: Georg Beyer SJ (* 02.03.1878, Gleiwitz / Schlesien - † 28.10.1932, Breslau), Priesterweihe am 25.08.1912 in Valkenburg; 28.09.1897 Eintritt in die Gesellschaft Jesu; vor 1914 als Seelsorger in Emmerich; im 1.WK: Feldgeistlicher; 1917 als Seelsorger der in der Schweiz internierten katholischen deutschen Soldaten; vgl. a. Biograph.-Lexikon der Kath. Militärseelsorge Deutschlands, S.70
Bild rechts: Militärpfarrer Johannes Fischer, 1916-1919, Foto aus privater Hand "Album J. Fischer"
  - Militärpfarrer md. vom 08.10.1916 - 28.03.1919; Johannes Christophorus Fischer SCJ (* 08.09.1878, Nettersheim / Eifel - † 13.08.1954 Taubaté / Brasilien), ein Herz-Jesu-Priester aus Sittard / Niederlande, Missionar der weißen Väter (PA = Patres Albi) in Brasilien; er wohnte während seines Aufenthaltes in Güstrow in der Neuen Strasse 27a bei der Fam. Kasimir Haertlé
  - vgl. a. Biographisches Lexikon der Katholischen Militärseelsorge Deutschlands 1848-1945. Hrsg. von Brandt, Hans-Jürgen / Hä:ger, Peter. Bonifatius Verlag Paderborn 2002, S.204

Abb. 9  Ansichten der katholischen Barackenkirche, Foto aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"

Abb. 10  Ansichten der orthodoxen Barackenkirche, Foto aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"

Abb. 11  Barackenkirche in der Grünen Strasse, Ansicht vom 22.12.1919, AKKG, Fotoarchiv Katholische Kirche Güstrow

Abb. 12  französische und belgische Künstler schufen das Denkmal 1917/18, Fotos aus privater Hand, "Album Militärpfarrer J. Fischer"

Abb. 13   Friedhofsansichten von 1960 (Foto. W. Mastaler) bis Heute, Fotos: MM 2008, 2008, 2012

 

 




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