Am Tag der Mobilmachung dem 2. August 1914 ging auf allen Telegrafenstationen gegen 18.30 Uhr der Mobilmachungsbefehl aus Berlin ein. Dieser Befehl war sofort ortsüblich bekannt zu machen. Den ganzen Tag warteten bereits viele auf die letzte Entscheidung, wird es Krieg geben oder nicht. Nun war es also passiert. Die städtische Kapelle konzertierte auf dem Marktplatz und patriotische Lieder ertönten. Der Erste Staatsanwalt Krüger hielt vom Balkon des Rathauses eine Ansprache und Menschen marschierten begeistert zum Kriegerdenkmal auf die Wallanlage.
Schon bald darauf mussten die ersten Güstrower Abschied von Frau, Kindern, Eltern und Freunden nehmen. Sie hatten sich schnellstmöglich in den Garnisonen in Rostock, Schwerin oder Wismar zu melden. Überall zogen die deutschen Truppen unter dem Jubel der Bevölkerung und dem Läuten der Glocken zum Kampf aus. Diese Begeisterung wurde durchaus auch von kirchlicher Seite geteilt. Obwohl die katholische Kirche wegen ihres globalen Charakters stets Distanz zum Nationalismus des 19. Jahrhunderts gehalten hatte, traten besonders am Anfang des Weltkrieges Bischöfe, Priester und Gläubige an die Seite derer, die den Krieg begrüßten.
Ihre zum Teil "flammenden" Kriegspredigten dienten unzweifelhaft mit dazu – allen Sorgen zum Trotz –, die Menschen für diesen Waffengang zu gewinnen, der ihnen "von der von Gottes Gnaden eingesetzten Obrigkeit" abverlangt wurde.
In katholischen Kreisen begann 1915 bereits ein erstes vorsichtiges Umdenken. Immerhin sprach der Weihischof von Rottenburg Johannes Baptista Sproll vom Krieg erstmals von einem "Massensterben" und von einem "mit allen Mitteln der Kunst und der Wissenschaft geförderten und beschleunigten Völkermord" . Doch noch war dies nur eine schwache Stimme in Deutschland.
Ganz im Gegensatz zum nationalen Denken in Deutschland war Papst Benedikt XV. ein unermüdlicher Mahner gegen diesen Krieg. Er verzichtete zwar auf Schuldzuweisungen, nannte den Krieg aber eine "grauenhaft nutzlose Schlächtereiä. Schon in seiner Antrittsenzyklika im November 1914 rief er die Regierenden zu einem Verhandlungsfrieden auf. Die päpstlichen Bemühungen blieben jedoch erfolglos, auch sein letzter Appell vom 1. August 1917, in dem er alle Krieg führenden Mächte nochmals zu Friedensverhandlungen aufrief und sich als neutraler Vermittler anbot .
Auf diplomatischem Weg gescheitert, hat er allerdings den Aufbau eines Netzwerks humanitärer Hilfe erreicht, um insbesondere die Kriegsgefangen zu unterstützen. So war beispielsweise ein Ordensmann aus der Schweiz in Europa unterwegs, um die Versorgung der Gefangenen mit Nahrung und Medizin, aber auch den Austausch von Kriegsgefangenen zu befördern .
"Es war der Hauch des Todes, den ich spürte. Die Leute sagen, er sei eisig. Aber er ist heiß."
Gleich in den ersten Wochen des Krieges wurde 1914 bereits begonnen auf der Bockhorst bei Güstrow ein Kriegsgefangenenlager anzulegen , welches noch bis zum 31. Mai 1921 bestand.
Die Seelsorge der Kriegsgefangenen oblag in den ersten Monaten den Zivilgeistlichen der zuständigen katholischen Gemeinde in Rostock und bot besondere Schwierigkeiten dadurch, dass die Entfernung von Rostock mit 40 km recht weit war.
Die Gefangenen waren anfangs in großen Zelten untergebracht, in denen auch einmal Gottesdienst mit Gelegenheit zum Sakramentenempfang abgehalten wurde. Die Zustände müssen in der Anfangszeit 1914/15 jedoch katastrophal gewesen sein, die Gefangenen beschrieben es als einen "schrecklichen Ort" und in russischen Quellen wird es zusammen mit Hammerstein als das grausamte Lager dieser Zeit angegeben .
. Ansichten des Lagers im Wandel der Zeit
Im Lager waren die Zelte dann durch Holzbaracken ersetzt, von denen eine 20 x 10 m große Baracke als katholische Kirche diente. Die Gefangenen selbst bauten auf eigene Kosten auf der Baracke ein Türmchen, für das der Bonifatius-Verein eine Glocke leihweise zur Verfügung stellte. Nun wurde im Lager der "Angelus" geläutet und die Gefangenen hatten "den eucharistischen Heiland in ihrer Mitte" .
. Ansichten der katholischen Barackenkirche von Außen
Einmal fand im Lager auch eine Taufe statt. Ein französischer Kriegsgefangener - ein Bankbeamter - hatte während der Schlacht gelobt, sich taufen zu lassen, wenn er lebend aus dem Kampf herauskäme.
" Allerheiligen [1.11.1915] wurde hier auch prächtig gefeiert in der gut eingerichteten Kapelle des Lagers. ... Montag danach wurden wir durch den deutschen ... nach dem Friedhof geführt unter dem Gesang der Totenpsalmen. 2000 Soldaten nahmen an dem Zug teil, der aus Belgiern, Engländern, Franzosen und einigen Polen bestand. Auf dem gut unterhaltenen Friedhof zogen wir mit entblößtem Haupte vorbei an den 472 Gräbern, die alle ein schwarzes Kreuz trugen mit den Namen, Todestag, Regiment und Nationalität, geschrieben von den Überlebenden. Nach dem Zug hielt der Herr ... eine zu Herzen gehende Ansprache in Französisch und in Flämisch und las ein Bittgebet für den Frieden. Danach wurde vierstimmig "De profundis" gesungen, dabei sah man manche Träne in den Augen der Umstehenden blinken. Die bebenden Stimmen verklangen in der einsamen Landschaft und dem Heulen des kalten Nordwestwindes, nur das Gekrächse der Hunderte von Krähen und das Schreien der Wildgänse, die über uns hinwegzogen, begleitete unsere Trauermusik. Nachdenklich zogen wir in unser Quartier zurück und lagen dann stillschweigend und nachdenklich auf unserm harten Strohsack ausgestreckt. ..." .
. Ansichten der katholischen Barackenkirche von innen
Zu den Aufgaben der katholischen Feldseelsorge im Ersten Weltkrieg gehörte nicht nur die klassische Seelsorge mit der Spendung der Sakramente (Sterbenden, Verwundeten oder Kranken). Sie sorgten auch für eine ordnungsgemäße Beerdigung und benachrichtigten die Hinterbliebenen. Außerdem waren sie für die Abhaltung von Feldgottesdiensten zuständig - wo auch immer diese gefordert wurden. Häufig überbrachten sie den Soldaten auch Nachrichten und die sogenannten Liebesgabenpäckchen aus der Heimat, besorgten Zeitungen und Zeitschriften, Bibeln und religiöse Schriften sowie Lektüre zur Ablenkung und Erbauung der Soldaten.
Die Seelsorge innerhalb der Armee war aber dem Militär, nicht der Kirche unterstellt. Die Feldgeistlichen waren daher Militärbeamte im Offiziersrang und in die Befehlsstruktur der Armee fest eingebunden
. Feldgottesdienste im 1. Weltkrieg
Im Angesicht des zunehmend massenhaften Sterbens wurden konfessionelle Beschränkungen zunehmend unbedeutender und oft nicht mehr wahrgenommen. Im alltäglichen Leben der Soldaten blieben jedoch die Gottesdienste konfessionell getrennt und per Truppenbefehl als Dienst angeordnet.
Auch wenn sich viele im Verlauf des Krieges enttäuscht von der Kirche abwandten, half die Gegenwart der Militärgeistlichen vielen anderen, die Belastungen des "Frontalltags" und die traumatischen Erlebnisse zumindest teilweise zu verarbeiten und ertragen zu können.
Max, Herzog zu Sachsen - eigentlich: Maximilian Wilhem August Albert Prinz zu Sachsen (* 17.11.1870, Dresden - † 12.01.1951, Freiburg / Üechtland) war ein sächsischer Prinz, katholischer Geistlicher, Gelehrter, Pazifist, Vegetarier und Förderer der Ökumene. Im Ersten Weltkrieg war er als Feld- und Lazarettgeistlicher an der Westfront in Belgien eingesetzt. Die Grausamkeit deutscher Soldaten, die er als Geistlicher in Belgien und Frankreich miterlebte, machte ihn zu einem leidenschaftlichen Kriegsgegner. Noch im Jahr 1916 schied er aus dem Militärdienst aus und blieb zur Seelsorge und zu Studien in Sachsen.
"Wenn Gott gerecht sei", sagte er einmal in privatem Rahmen, "müsse er die Deutschen angesichts ihrer Greueltaten den Krieg verlieren lassen". Das diese Äußerung ihm keine Freunde einbrachte war abzusehen. Weitergetragen, musste er sich vor dem wettinischen Hausgericht dafür verantworten und zur Strafe internierte man ihn im königlichen Jagdschloss Wermsdorf. Post und Besuchskontakte wurden überwacht, er durfte sich aber vergleichsweise frei bewegen .
Da auf Anfrage dem im Nebenamt die Militärseelsorge ausübenden Rostocker Pastors Wilhelm Leffers: von der Leitung des Lagers 1914 gemeldet wurde, dass mehrere Hundert Kriegsgefangene beichten wollten, zog er noch 4 Geistliche zur Aushilfe heran. Die Zahl der Kriegsgefangenen, die dann kamen, war jedoch gering.
In der Folgezeit besuchte der Rostocker Vikar Heinrich Hemeaaat jeden Donnerstag die Lazarette des Lagers und hielt nachmittags in Güstrow den Religionsunterricht für die Kinder der Gemeinde .
. Ansichten der katholischen Barackenkirche von innen
Da die Zahl der Gefangenen immer mehr wuchs, beantragte der Rostocker Pastor Leffers beim Militär-Oberpfarrer Pawlicki in Hannover die Anstellung eines Militärpfarrers im Lager.
. Der Rostocker Pfarrer Wilhelm Leffers und sein Vikar Heinrich Hemesaat (der spätere 1. Pfarrer von Güstrow)
Als 1902 Pastor Leffers, zum Nachfolger von Pastor Brinkwirth zum, Pastor in Rostock ernannt wurde, war auch in Rostock noch keine eigentliche Kirche erbaut worden, sondern in dem von Pastor Brinkwirth gekauften Gasthof "Alte Flora" war der Saal als Kirche eingerichtet worden, während in den übrigen Räumen die Geistlichen wohnten. Als er dann seine Pfarrei einigermaßen kennengelernt hatte, sah er ein, dass nicht nur in Rostock, sondern auch in Güstrow eine Kirche gebaut werden müßte. Trotzdem der Kirchbau in Rostock noch nicht fertig war, sondern eben erst begonnen hatte, kaufte er schon im Jahre 1907 in Güstrow das an der Grünen Straße gelegene Grundstück 23-25 für 22.000 Mark, das nach dem Bebauungsplan der Stadt Güstrow einmal ein Eckgrundstück werden sollte und deshalb und weil es nicht weit vom Bahnhof lag - für den Kirchbau geeignet schien. Er sammelte nun in der Zukunft nicht nur für den Kirchbau in Rostock, sondern auch für den in Güstrow so eifrig, dass das Grundstück im Jahr l918 schuldenfrei war .
Der erste Militärpfarrer des Lagers in Güstrow hieß Beyer (Bayer) und wurde nach einigen Monaten wieder versetzt und durch Pater Johannes Fischer SCJ abgelöst .
. der erste Militärpfarrer des Lagers, Pfr. Beyer (rechts unten, der Adjudant des Lagerkommandanten Oblt. Lauenstein)
Pfarrer Beyer könnte aus dem Raum Aachen gekommen sein, denn die noch heute in der katholischen Kirche auf Blech gemalte Ikone "Unsere liebe Frau von der immerwährenden Hilfe" war ein Geschenk Aachener Christen für ihn als ersten Militärpfarrer des Lagers.
. Militärpfarrer Johannes Fischer, 1914-1919
Pater Johannes Fischer SCJ war ein Herz-Jesu-Priester aus Sittard und arbeitete als Missionspfarrer in Südamerika. Während seines Urlaubes in Deutschland wurde er durch den Kriegsausbruch 1914 an der Heimreise nach Brasilien gehindert und arbeitete dann als Militär-Pfarrer bis zum Kriegsende im Lager Bockhorst.
Außer seinem Dienst half er auch in der Zivil-Seelsorge der katholischen Pfarrgemeinde mit, oder auch wenn Kranke zu versehen waren.
Er wohnte in dieser Zeit Güstrow bei der Familie von Kasimir Haertlé in der Neuen Straße 27a und feierte werktags im Wohnzimmer dort die hl. Messe. Als Sekretärin diente ihm im Lager Frau Elisabeth Passehl, die spätere Ordensschwester in Berlin .
. Militärpfarrer Johannes Fischer beim Besuch des Erzbischofs Berning 1918 im Lager
Als der Bischof von Osnabrück, Dr. Wilhelm Berning (* 1877 - † 1955), im Jahr 1918 zur Firmung in Mecklenburg weilte, machte er von Rostock aus auch einen Besuch in Güstrow, besichtigte das Kirchengrundstück, den Dom und die Pfarrkirche und machte anschließend auch einen Besuch im Gefangenenlager auf der Bockhorst, wo er vom Lagerhauptmann und dem Militärpfarrer Fischer empfangen und geführt wurde.
. Militärpfarrer Johannes Fischer und seine Orden (rechts nachcoloriert)
Auf dem Bild trägt der Pater Fischer an 1. Stelle das Kreuz für Kriegshilfe (Königreich Preußen), an 2. Stelle das Militärverdienstkreuz II. Klasse für Nichtkämpfer (Mecklenburg-Schwerin). Dieses wurde ihm am 24. Dezember 1917 verliehen . An 3. Stelle trägt er die Rot-Kreuz-Medaille III. Klasse (Königreich Preußen) und zu guter letzt unterhalb der Spange das "Pro Ecclesia et Pontifice" - das Ehrenkreuz des Vatikans.
Ob Pater Fischer eine gewisse Affinität zu Orden gehabt hat, oder das Bild äter als die handschriftlich angegebene Jahreszahl auf dem Bild ist, kann nur vermutet werden. Ausgewiesen ist auf jeden Fall der 4. Mai 1919 - der Krieg also schon ein halbes Jahr beendet - und die lateinische Aufforderung " Oratione semper umili - Rede immer bescheiden ".
Um 1920 ist Pater Johannes Fischer dann wieder in das Missionsgebiet seines Ordens nach Brasilien zurückgekehrt .
Im Lager gab es aufgrund der zunehmenden Anzahl von russischen Kriegsgefangenen dann auch eine orthodoxe Kirchenbaracke. Regelmäßig kam ein Pope ins Lager und betreute seine Gläubigen vor Ort, feierte Gottesdienste und beerdigte die Verstorbenen.
. Ansichten der orthodoxen Barackenkirche im Lager
Das es im Güstrower Lager keine nachweisbaren muslimischen Bestattungen gab, lag an der bereits Anfang 1915 erfolgten Verlegung mohamedanischer, indischer und georgischer Kriegsgefangener in andere Lager. Am 3. Februar 1915 übermittelte Generalmajor Friedrich eine geheime Verfügung für "die Behandlung mohamedanischer, indischer und georgischer Kriegsgefangener, deren Unterbringung in besonderen Lagern bei Zossen unterm 21.1.1915, Nr. 231 / 1. 15 U 3 angeordnet worden ist", dem Stellvertretenden Generalkommando des Armeekorps.
Das sog. Halbmondlager bei Wünsdorf (an einem Weg zur Ortschaft Zehrensdorf) blieb Muslimen aus dem französischen Heer sowie - seit Frühjahr 1915 - indischen Kriegsgefangenen unterschiedlicher Konfession vorbehalten. So verschwanden auch die bei uns Amfangs noch inhaftierten Turbanträger - Muslime, Sikhs und Hindus - aus dem Lagerbild.
Im Güstrower Lager befanden sich aber auch bereits Ende 1914 zwischen 300 und 400 russische Juden. Aus diesem Grunde erhielt auch der Vorstand der örtlichen jüdischen Gemeinde von der Kommandantur des Lagers die Genehmigung dort erstmalig am Sabbat, dem 21. November 1914, einen Gottesdienst im Lager abzuhalten. Dieser fand in einem dafür bereitgestelltem leeren Zelt statt, welches von der Güstrower Gemeinde mit Thorarolle und anderen Ritualgegenständen ausgerüstet wurde. Von da an wurde es regelmäßig für weitere Feiern genutzt. Der hiesige Religionslehrer besuchte außerdem auch das Lager in der Folgezeit .
. Ansichten der jüdischen Friedhofskapelle und ihrer Beerdigungen außerhalb des Lagers
Außerdem durften die Kriegsgefangenen jüdischen Glaubens auf dem jüdischen Friedhof außerhalb des Lagers an der Chaussee nach Neukrug (ehemals Barbara Straße / Ecke Suckower Graben; heute: Neukruger Straße) beerdigt werden. Dieser bestand bereits seit 1804 "vor dem Mühlentor" (nachweislich ab 1877 an der Chaussee nach Neukrug] und erhielt nach dem Kauf des Grundstückes im Juli 1900 durch die jüdische Gemeinde 1910 eine eigene Friedhofskapelle (verbunden mit einer Wohnung für den Friedhofswärter) . Es waren vor allem russischstämmige Juden die hier beerdigt wurden.
Die letzte Beisetzung auf diesem Friedhof fand am 2. Dezember 1937 statt (Rosalie Engel, Reihe XI 1a). Am 28. April 1939 kam es, bis auf eine Restfläche, zum Verkauf des Friedhofsgeländes. Mit dem Erlös wurde es mehreren jüdischen Familien ermöglicht Güstrow noch rechtzeitig zu verlassen.
Da es nach 1945 in Güstrow keine jüdische Gemeinde mehr gab, fand 1948 eine Eigentumsübergabe an die jüdische Landesgemeinde Mecklenburgs statt, die diesen 1954 fast ganz verkaufte. Ein Teil des alten Friedhofs in Güstrow-Dettmannsdorf wurde 1985-1988 von der Stadtverwaltung (auch auf Betreiben des evang. Pastors und Kirchenhistorikers Karl Heinz Stüber) dann wiederhergestellt. Ein Gedenkstein erinnert von da an an die einstige jüdische Gemeinde der Stadt mit einer Inschrift:
" Der Faschismus hat die jüdischen Bürger unserer Stadt ausgerottet.
In Güstrow lebten 1933 118, 1941 nur noch 16 und 1945 keine Bürger jüdischen Glaubens mehr.
Am 9.11.1938 "Kristallnacht" wurde die Güstrower Synagoge in Krönchenhagen
ebenfalls ein Opfer des faschistischen Terrors.
Ihr opferreicher Weg ist uns mahnende Verpflichtung.
1988 "
Da die Aufnahmefähigkeit des städtischen Friedhofes begrenzt war, und zudem mit vielen Todesfällen noch gerechnet wurde, musste im Lagerbereich ein eigener Friedhof für die Verstorbenen Kriegsgefangenen eingerichtet werden. Dazu beantragte die Kommandantur die Errichtung eines Begräbnisplatzes für die hier verstorbenen Kriegsgefangenen auf der nördlich im Lagerbereich befindlichen eiszeitlichen Sanddüne. Nach der Genehmigung wurde dort ein 105 x 75m großer Friedhof angelegt, von einem Zaun umgeben und an der Westseite ein hölzernes Eingangstor hatte.
. Ansichten vom Friedhof, der Franzose Albert Quentin und sein Grab
Bis zum Ende des Jahres 1914 waren allein 49 Katholiken im Güstrower Lager verstorben, Ende 1915 waren es bereits 472 Tote - davon 167 Katholiken. Nach dem Beerdigungsbuch der katholischen Militärpfarrer sind im Kriegsgefangenenlager in der Zeit vom 24. Oktober 1914 bis zum 28. März 1919 allein 303 katholische Beerdigungen erfolgt .
Der Friedhof des Güstrower Lagers besteht heute noch, obwohl sehr viele Kriegsgefangene nach 1919 exhumiert und in die Heimat überführt - oder wie z.B. 59 britische Tote um 1920 nach Hamburg-Ohlsdorf umgebettet - worden sind.
Nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) wird die Fürsorge für die Kriegsgräber im Inland vom Staat übernommen. Dieses Gesetz ist seit 1993 auch für die neuen Bundesländer gültig. Es sichert für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland das dauernde Ruherecht für alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und überträgt die Zuständigkeit für Anlage, Pflege und Instandhaltung der Kriegsgräberstätten auf die Bundesländer. In Mecklenburg-Vorpommern nimmt das Innenministerium diese Aufgabe wahr. Die Kriegsgräberstätten sollen dabei den Charakter "mahnenden Gedenkens" tragen.
. Auf dem Weg zum Friedhof
Wenn man sich aber den Zustand der Güstrower Anlage ansieht - KEINE Hinweisschilder auf und zum Friedhof, er selbst wird (wenn man ihn denn gefunden hat) nur gemäht und die Hauptwege grasfrei gehalten; das Denkmal zerfällt zusehends - kann man nur zu dem Schluss kommen, das dieses Gedenken dem Land nicht sehr viel wert ist. Außerdem empfinde ich es persönlich als geschmacklos, einen Schießplatz neben einen Kriegsgräberfriedhof zu bauen. Als möchte man die im Krieg Verstorbenen auch noch verhöhnen. Eigentlich eine Schande. Nein, es IST eine Schande!
. Ansichten des Friedhofs nach 100 Jahren
Der Volksbund der deutschen Kriegsgräberfürsorge gibt die Anzahl der in Einzelgräbern bestatteten Kriegsgefangenen in Güstrow mit 2100 an. In einem Protokoll von 1984 erinnert sich der Theologe Prof. Dr. Holz aus Rostock, der im Rahmen des vaterländischen Hilfsdienstes im Kriegsgefangenenlager als Hilfsdolmetscher tätig war, auch daran, dass Kriegsgefangene hier zum Teil in Massengräbern begraben wurden.
Heute liegen - lt. Gedenkstein am Friedhof - noch immer 573 Russen, 150 Franzosen, 80 Deutsche, 64 Rumänen, 42 Italiener, 20 Belgier und 5 Polen auf dem Lagerfriedhof auf der Güstrower Bockhorst. Das sollte doch eigentlich einen ausreichenden Grund für ein ehrenvolleres Gedenken liefern!
"... Mit der wohlwollenden Zustimmung des Herrn General und Befehlshabers des Lagers [Oberst von Matheson] wurde eine Kommission eingerichtet unter dem Ehrenvorsitz des Herrn Dr. D. Syrgow, einem russischen Arzt, mit der Absicht, einen Gedenkstein aufzurichten für unsere verstorbenen Mitgefangenen. Dieses Commitee appellierte an die wohlwollende Freigebigkeit aller Gefangenen. Jeder Beitrag, und sei er auch noch so gering, soll mit Dank angenommen werden. Von der kommenden Woche [Mitte November 1915] an sollen die Spenden angenommen werden durch die Leiter des Belgischen Commitees. Außerdem kann man sich mit allen Vorschlägen an die beständigen Mitglieder wenden: Herr Lodewigk De Coninck, Baracke 91 N. und Dr. Victor Stroobants, Baracke 29 S. ... Dieser Aufruf hatte eine allgemeine Zustimmung im Lager und die Einnahme von 1.670 Mark erbracht. Das Denkmal soll hergestellt werden durch kriegsgefangene Bildhauer, die ihre Kunst kostenlos angeboten haben ... " .
. Französische und belgische Künstler schufen das Denkmal 1917/18
Das Denkmal "Erinnerung für die im Lager verstorbenen Kriegsgefangenen" auf dem sogenannten "Franzosenfriedhof" wurde 1917/18 von zwei französischen, zwei belgischen und einem australischen Künstler auf eigene Kosten aus Bremer Kalkstein selbst geschaffen.
Am 20. April 1918 wurde es in Anwesenheit des damaligen Reichskanzlers Graf Georg von Hertling (1843–1919), deutscher Militärs und ausländischer Abordnungen aus den Herkunftsländern, die hier auch Kränze zum Gedenken der Verstorbenen niedergelegt hatten, eingeweiht .
Der damalige Güstrower Bürgermeister Dr. Heydemann antworte dem Vater eines italienischen, hier verstorbenen Gefangenen am 27. Oktober 1927 auf dessen Anfrage: "Das hiesige Kriegsgefangenenlager ist sehr schön auf einem Hügel gelegen und wird stets gut und sauber gehalten. Es ist Sitte bei uns Deutschen, die Toten, auch wenn sie unsere Feinde gewesen sind, zu ehren und ihre Friedhöfe in gutem Zustande zu erhalten. ..." . Gehen Sie mal ruhig hin, und Sie werden sehen, was uns diese Sitte noch wert ist.
Habe ich mit dem Jubel zum Kriegsauszug begonnen, möchte ich auch etwas zum Ende sagen. Der Erste Weltkrieg forderte fast zehn Millionen Todesopfer und etwa 20 Millionen Verwundete unter den Soldaten. Die Anzahl der zivilen Opfer wird auf weitere sieben Millionen geschätzt.
Die Folgen der Niederlage werden aber in vieler Hinsicht erst später deutlich. Dem Deutschen Reich – ohnmä,chtig als Kriegsverlierer – wird als Reparationen eine horrende Summe von 269 Mrd. Goldmark auferlegt, die schon im ersten Zahlungsjahr die Gefahr des wirtschaftlichen Ruins befürchten ließ. Außen- und innenpolitisch wird die Einlösung dieser Kriegsschuld zum dominierenden Thema und endete mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und ihrem verheerenden 2. Weltkrieg.
Im Jahr 1921 wurden die im aufgelösten Kriegsgefangenenlager noch stehenden Baracken ab 1. Juli mit Heimkehrern aus dem Osten belegt, die durch das Rote Kreuz betreut wurden. Es waren in erster Linie Flüchtlinge aus Posen / Westpreußen, aber auch aus dem Baltikum, die vor den Bolschewiken geflüchtet waren.
Direktor dieses Heimkehrerlagers wurde Wilhelm Tönse (* 5.3.1869, Bromberg - † 10.01.1948, Erbach im Odenwald). Er hatte seit 1916 im Lager als Dolmetscher für Russisch gearbeitet, wohnte seit 1922 im eigenen Haus in der Güstrower Nordstadt in Dettmansdorf und richtete im Lager die Werkstätten zum Mäbelbau (Schreinerei und Korbflechterei) ein . .
. Korbflechterei und Möbelbau im Heimkehrerlager 1921-1924
Die Zahl der Katholiken unter diesen Heimkehrern schwankte zwischen 37 und 94. Für die Kinder wurden zweimal in der Woche je 2 Stunden Religionsunterricht gegeben. Als dann unter den Lehrpersonen der Lagerschule ein katholischer Lehrer und eine katholische Lehrerin angestellt wurden, erhielt die Lehrerin, Fräulein Rauer, die "Missio Canonica" und erteilte in der Folge auch den Religionsunterricht. Für die Seelsorge des Lagers und die entstehenden Unkosten wurde vom Kommissar des Roten Kreuzes eine Vergütung gegeben.
Am 27. Dezember 1923 beschloss die Reichsregierung, alle Heimkehrerlager bis zum 1. März 1924 aufzulösen. Obwohl es in einem Schreiben des Reichskommissars für Zivilgefangene und Flüchtlinge vom 30. April 1924 heißt: "... die Auflösung der Heimkehrerlager soweit fortgeschritten ist, dass die endgültige Schließung aller Lager zum 31. Mai 1924 erfolgen kann", war die Auflösung des Güstrower Lagers erst am 1. Oktober 1924 beendet.
Bereits im Jahr 1914 war eine Skizze für den Bau der neuen katholischen Kirche in Güstrow fertiggestellt, als der ausbrechende Krieg diese Pläne vereitelte.
Nach Kriegsende beschloss die katholische Pfarrgemeinde 1919 eine der alten Militärbaracken des aufgelösten Gefangenlagers zu kaufen um sie in der Grünen Straße aufstellen zu lassen und bis zum Bau einer eigenen Kirche zu nutzen. Es war aber nicht die ursprüngliche Kirchenbaracke - die war zu baufällig.
Inzwischen, hatte aber die Geldentwertung eingesetzt. Die Baracke - 20 zu 10 Mtr. groß - wurde am 11. September 1919 für 2250 Mark von der Militärverwaltung gekauft. Abbruch und Aufbau verzögerten sich, da inzwischen in Güstrow ein Bauarbeiterstreik ausgebrochen war. Am 14. November wurde mit dem Abbruch im Gefangenenlager begonnen. Die Teuerung hatte inzwischen Fortschritte gemacht. Abbruch, Transport und Wiederaufbau kosteten 17451,83 Mark. Für die Ausstattung der Notkirche gab die Mutter-Pfarrei Rostock den in der alten "Flora" früher benutzten Altar, 6 Kirchenbänke, 2 lebensgroße holzgeschnitzte Figuren - Maria und Josef mit Sockel - sowie die bis zum Kirchbau in Rostock benutzte Kommunionbank. Als Seitenaltar wurde der in der Kirche des Gefangenenlagers benutzte Altar aufgestellt, mit dem Bild der "Immerwährenden Hilfe" . Auf der anderen Seite wurde ein Herz-Jesu-Altar errichtet.
In den letzten Tagen vor Weihnachten 1919 wurden die sich in der Schule befindlichen Sachen in die Baracke gebracht. Für die Beleuchtung wurden 2 Flur-Petroleumlampen angeschafft, die an den beiden Pfosten, die Decke und Dach trugen, angebracht wurden. Ein großer alter Kanonenofen, der aus feuerpolizeilichen Gründen mit einer eisernen Schutzwehr umgeben war, sorgte für die Erwärmung der Kirche. Rechts vom Ofen hing an einem Pfosten ein von Frau Timm gestiftetes altes Kruzifix.
Am 24. Dezember 1919 schmückte Vikar Hemesaat die Kirche mit Tannenbäumen und etwas Tannengrün aus. Die Wände waren ja noch das rohe Holz der Wachbaracke, an denen die Soldaten in ihren Mußestunden so manche Inschriften angebracht hatten.
Auch eine kleine Krippe wurde aufgestellt, dieselbe Krippe, die in Rostock bis zum Jahre 1909 immer den Katholiken das Weihnachtsgeheimnis dargestellt hatte.
Unbeschreiblich groß war die Freude der Güstrower Gemeinde, als nun am 1. Weihnachtstag der Weihnachtsgottesdienst in dieser Notkirche stattfand. Die Gläubigen eilten mit Laternen und Kerzen herbei, um bei der Dunkelheit doch dem Gottesdienst beiwohnen zu können. In einem freudigen Te Deum dankte die Gemeinde Gott dafür, dass nun der Gottesdienst in einem eigenen Kirchlein abgehalten werden konnte .
Angesichts der Einfachheit ihrer neuen Kirche mögen sich vielleicht einige an die Worte von Otto Rietmüller erinnert haben.
" Irdische Tempel braucht Gott nicht, Dome, die Meister erbauen.
Schatten sind sie von seinem Licht, welches kein Auge kann schauen ..."
. Barackenkirche in der Grünen Straße
Auf die Eingabe des Pastor Leffers in Rostock, Vikar Hemesaat zum 1. Januar als Pastor in Güstrow anzustellen, erwiderte der Bischof, dass dieses erst zu Ostern möglich sei, da er z.Z. keinen Geistlichen habe, den er als Ersatz nach Rostock schicken könne.
So wurde der Gottesdienst in der Baracke vorläufig zweimal im Monat von Rostock aus gehalten. Zum 1. April 1920 erhielt dann Vikar Hemesaat in Rostock die Anstellung als Pastor der neugegründeten Gemeinde Güstrow, zu der nun die Amtsgerichtsbezirke Güstrow, Bützow und Krakow mit 168 Ortschaften gehörten .
Da die Inflation immer größer wurde - und Sachwerte darum immer größeren Wert bekamen - andererseits in der Notkirche leicht hatte eingebrochen werden können, wurden die Sachen meistens mit zum Pfarrhaus genommen und später auch das Allerheiligste Sakrament mit Erlaubnis des Bischofs still abends zum Pfarrhaus übertragen .
Inzwischen war die Gemeinde derart gewachsen, dass die Baracke nicht mehr ausreichte und der Bau einer Kirche immer dringender wurde.
Schon gleich nach Aufhören der Inflation, die ja ein Sammeln für den Kirchbau unmöglich machte, wurde für den Neubau gesammelt. Die Gemeindemitglieder zeichneten freudig ihre Spenden, und der eifrige Kaplan Fischer schickte mit Hilfe einiger Jünglinge "Bettelbriefe" in die Welt. 1925 und früher gingen ein: 4.594,37 Mark, 1926: 2.225,69 Mark. Als dann 1928 mit dem Kirchbau begonnen wurde, waren es rund 10.000 Mark.
Bevor nun mit dem Kirchbau begonnen wurde, wurde noch einmal ernst erwogen, ob nicht die Kirche an einer anderen Stelle in der Stadt erbaut werden dürfte. Als der Bischof Berning zur Firmung in Güstrow weilte, stellte der Stadtbaurat Richter dem Bischof vor, dass eventuell der Platz der abgebrannten Wollhalle für den Bau einer katholischen Kirche in Frage käme. Bei der Verhandlung über die Abtretung des Platzes an die kath. Kirchengemeinde entstanden aber Schwierigkeiten. Einmal war der Kaufpreis, den die Stadt verlangte, verhältnismäßig hoch, zum anderen wollte der Rat der Stadt erst dann eine Entscheidung darüber fällen, wenn der Platz für die neu zu erbauende Knabenschule festgelegt sei.
Auch war es nach Aussage des Bürgermeisters fraglich, ob die Bürgervertretung einem Verkauf dieses Grundstückes zustimmen würde. Darum wurde dieser Plan fallen gelassen. Ein anderer geeigneter Platz wäre das Gärtnereigrundstück des Herrn Hagemann, Ecke Hafen-Trotsche-Straße gewesen. Aber der Erwerb dieses Grundstücks hätte sehr hohe Kosten erfordert. Zudem ist der Baugrund noch sehr viel schlechter als der auf unserem Grundstück an der Grünen Straße. Darum wurde auch dieser Plan fallen, gelassen und der schon im Besitz der Kirchengemeinde an der Grünen Straße für den Kirchbau bestimmt .
Im Dezember 1928 wurde mit den Fundierungsarbeiten begonnen. Ein Grundpfeiler war fertig geworden, als der strenge Winter 1928/29 einsetzte, der erst im April 1929 erlaubte, die Arbeiten fortzusetzen. Nun wurden die Arbeiten gut gefördert. Sonntag für Sonntag konnte man die Gemeindemitglieder auf dem Bauplatz sehen, die mit großer Freude den Fortschritt der Arbeiten verfolgten.
Am 29. April 1929 erteilte der Hochwürdigste Herr Bischof Herrn Pfarrer Msgr. Brüx in Schwerin die Vollmacht, am 5. Mai 1929 den Grundstein der Kirche zu weihen und zu legen.
Die Kirchweihe fand dann am 25. August 1929 unter dem Titel der "Mariä Himmelfahrt" statt .
Die "Notkirche" wurde nach der Kirchweihe der Neuen Kirche am 25.8.1929 an die Firma Kasch auf Abbruch verkauft mit der Auflage, aus den Brettern einen Zaun zu errichten, der die Stallgebä&ude des Grundstücks in der Grünen Straße von dem Kirchplatz abtrennte.
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